Was ist auf YouTube passiert?
Seit dem 19. März 2025 hat YouTube seine ohnehin schon strengen Regeln für Glücksspiel-Content noch einmal verschärft – offiziell, um „junge Zuschauer zu schützen“. Die neue Policy verbietet:
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jegliche Links zu Online-Casinos und Pokerangeboten, die nicht explizit von Google freigegeben sind
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visuelle Elemente wie Logos oder Banner, die für nicht-zugelassene Gambling-Websites werben
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sogar bloße Erwähnungen bestimmter Marken im Video
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und alle Inhalte, die „garantierten Gewinn“ versprechen – unabhängig davon, ob tatsächlich auf eine Glücksspielplattform verlinkt oder eine von Google erlaubte Plattform genannt wird
Selbst Content, der formal nicht gegen die Community-Richtlinien verstößt, wird altersbeschränkt (18+), sobald auch nur Casinos thematisiert werden. Das bedeutet: Videos werden aus den Algorithmen für Empfehlungen entfernt und erzielen kein oder nur minimales Einkommen. Das Ergebnis für Creator? Weniger Views, weniger Einnahmen, immer weniger Motivation, weiterzumachen.
Poker? Für YouTube auch Glücksspiel!
Auch wenn Poker in vielen Ländern längst als Geschicklichkeitsspiel gilt und 2024 offiziell als Denksport anerkannt wurde (ähnlich wie Schach oder eSports), bleibt es für YouTube schlicht Teil des „glücksspieltypischen Ökosystems“. Und das sogar dann, wenn gar nicht um echtes Geld gespielt wird – bereits Spieltisch, Karten und die Simulation von Einsätzen genügen.
Dabei verlässt sich YouTube längst nicht nur auf menschliche Kontrolle: Der Großteil aller Entscheidungen wird von Algorithmen getroffen, die – so berichten zahlreiche Streamer – oft völlig willkürlich und nicht nachvollziehbar handeln.
Kreative in Gefahr
Nick Eastwood berichtet, dass seine Videos als „für Werbekunden ungeeignet“ markiert werden, obwohl er auf altersbeschränkte Inhalte achtet, ausschließlich regulierte Anbieter erwähnt und die Regeln einhält – sprich: eine Monetarisierung ist nahezu unmöglich.
Dieses Problem kennt auch Brad Owen, einer der größten Poker-YouTuber mit über 750.000 Abonnenten. Sein Content wurde bestraft, weil er angeblich „Beleidigungen und gefährliches Verhalten, das zu ernsthaften Verletzungen führen kann“ beinhalten würde – obwohl es sich lediglich um ganz normale Pokeraufnahmen handelt.
Auch Streamer GazzyB1233 (Gary Blackwood) bekam einen „Strike“ wegen eines 30-Sekunden-Clips, den er zuvor 25-mal problemfrei hochgeladen hatte. Nun lebt er mit der permanenten Angst: Drei Strikes bedeuten das endgültige Aus – ohne Chance auf Rückkehr.
Das größte Problem – neben dem finanziellen Einbruch – ist die Unsicherheit. Was wird von YouTube als unerwünscht gewertet? Nick Eastwood formuliert in einem eigenen Video zur neuen Policy ganz klar: „Man merkt einfach nicht, ob ein Video absichtlich markiert wird oder ob es einfach der inkonsistente Algorithmus ist. Niemand weiß, wo die Grenze liegt.“
Chaos, Intransparenz und Frust
Das alles bleibt ein einziger Flickenteppich. Videos werden scheinbar willkürlich eingeschränkt – und YouTube nennt nie exakt, woran es liegt. Für ein Appeal steht auch nur eine einzige Chance zur Verfügung; nach einem Ablehnen haben Creator keine Möglichkeit mehr, etwas zu unternehmen. Ist das Video als 18+ eingestuft, verschwindet es praktisch aus sämtlichen Empfehlungen – selbst für die eigenen Abonnenten. Selbst wenn das Publikum der Kanalbetreiber zu 100% aus Erwachsenen besteht, killt der Algorithmus die Reichweite massiv.
Viele spekulieren, dass es YouTube weniger um Jugendschutz, sondern vielmehr ums Geld geht: Gambling-Content generiert vergleichsweise niedrige Werbeeinnahmen. Anders gesagt: YouTube verdient an Poker-Videos wenig bis gar nichts. Monetarisierung bringt hier maximal noch ein paar Euro über YouTube Premium, was bei den meisten Creatorn weniger als 10% ihrer Einnahmen ausmacht.
Die Pokerstreamer bleiben deshalb vorerst in der Warteschleife – oder suchen nach Ausweichmöglichkeiten. Viele verlagern Teile ihres Contents bereits auf Twitch oder Kick, aber auch dort drohen Verschärfungen – Twitch etwa hat 2024 selbst strenge neue Regeln für Gambling eingeführt. Shorts sind derzeit weniger stark betroffen als Streams, eine echte Alternative für den nachhaltigen Community-Aufbau sind sie aber nur bedingt.
Poker auf YouTube: Das Ende einer Ära?
Jahrelang war Poker ein fester Bestandteil von YouTube – von WSOP-Vlogs über Livestreams der spannendsten Turniere bis hin zu Strategy-Videos. Doch inzwischen steht das Genre am Abgrund – nicht weil das Interesse nachlässt, sondern weil der Algorithmus es ohne Vorwarnung ins digitale Aus schiebt.
„Es betrifft nicht nur meinen Kanal“, betont Nick Eastwood. „Es betrifft alle, die ihre Community über Jahre aufgebaut haben. Und YouTube signalisiert jetzt ganz klar: Ihr seid hier nicht mehr erwünscht.“
Bleibt am Ende also die Frage: Was zählt mehr – Jugend- und Konsumentenschutz oder doch die digitale Zensur? Eines scheint jedenfalls klar: Wenn YouTube nicht mehr Transparenz zulässt, riskiert die Poker-Community, am meisten zu verlieren.
Quellen: Sora, PokerListings, YouTube