Will Jaffe in 888Ride: Scharfe Debatten, PLO-Grind und die lebensverändernde WSOP

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Vom frustrierten Regular zum Star

Jaffe gesteht offen im Auto, dass er sich immer noch mehr als Grinder fühlt anstatt als „Content Creator“. Zum Content kam er ganz einfach – er war frustriert und wenn ihn etwas ärgerte, schaltete er die Kamera ein. Er erinnert sich an eine Geschichte vom Burning Man Festival, wo ihn die Hälfte des Poker-Twitters „in die Wüste auf Halluzinogene“ schicken wollte, während dieselben Leute ihn ein paar Monate später nicht einmal am Tisch grüßten – genau diese Heuchelei prangert er gerne an. Als er merkte, dass auch andere Spieler ähnliche Geschichten hatten und seine Monologe ihnen „Katharsis“ brachten, begannen seine ungeschönten Gespräche viral zu gehen. 

Mit einem Lächeln ergänzt er, dass er nicht aus der TikTok-Generation stammt – er nähert sich der Vierzig und die „Influencer“-Karriere schien ihm lange völlig fremd. Trotzdem fand er sein Publikum: zuerst in kurzen Videos, dann auf den Kommentatorensitzen. Für die WSOP und andere Marken kommentierte er mehrere Final Tables und Tuckman gesteht im Podcast, dass aus dem „wütenden Kerl von Twitter“ ein legitimer Partner am Mikrofon wurde, der zwischen ernsthafter Analyse und unterhaltsamer Talk-Show umschalten kann, je nachdem, was der Final Table erfordert.

Ein Anruf vom Ende entfernt: Die Geschichte des 2012er Bracelets

In einer der stärksten Passagen kehrt Tuckman in den Sommer 2012 zurück – ein Sommer, der Jaffe beinahe endgültig vom Poker weggedrängt hätte. Nach dem Black Friday ging Will nach Costa Rica, um online zu grinden, dann kam er mit dem Plan zur WSOP, „etwa dreißig Events zu spielen und wenn es nicht klappt, sich etwas anderes zu suchen“. Sein Lauf war katastrophal, er verlor die letzten Dollar im Cash Game und ging, um seine Koffer zu packen. Dann kam ein verzweifelter Anruf an einen Freund um vier Uhr morgens: „Kannst du mir tausend Dollar leihen? Ich will mich morgen für das 1k$ registrieren.“ Ein paar Stunden später verwandelte er diese tausend Dollar in 500.075$ und sein erstes WSOP-Bracelet in Event #54.

Jaffe gibt zu, dass er ohne dieses Ergebnis wahrscheinlich heute nicht im Poker wäre. Gleichzeitig fügt er ehrlich hinzu, dass ihm manchmal das Gegenteil einfällt: „Ja, manchmal denke ich – was wäre, wenn ich verloren hätte und das Leben mich gezwungen hätte, einen anderen Weg einzuschlagen?“ Am Ende sagt er jedoch, dass so ein Ergebnis einfach nicht zu bereuen ist – ein Turnier mit mehr als dreitausend Entries ist eine Erfahrung, für die man MTT's spielt. 

Leben zwischen Familie in New York und Casinos

Obwohl die meisten Fans ihn durch seine scharfen Debatten kennen, ist Jaffe im Kern immer noch ein waschechter Grinder. Im 888Ride gesteht er, dass Hold’em ihn nach all den Jahren langweilt und gleichzeitig viel anspruchsvoller geworden ist – mehr Solver, mehr Studium, mehr Arbeit am Spiel. Vor 13 Jahren wechselte er deshalb zu PLO, damals noch ein ziemlich „neues Spielzeug“ für viele Casinos – und wurde ein Full-Time PLO Reg, lange bevor sich die junge Generation dem Spiel widmete.

Heute spielt er fast ausschließlich PLO Cash Games, ob in Casinos oder auf Apps, und nennt sich selbst einen „Super Grinder“. Tuckman zeigt er sein Handy, auf dem in einer Woche 40 Stunden gespielt sind – und das ist noch nicht alles. Er lebt im Staat New York, vier bis fünf Stunden vom nächsten Casino entfernt, also sieht sein typischer Trip so aus: Auto schnappen, ein paar Stunden fahren, einen 24-Stunden-Marathon spielen, ein paar Stunden schlafen und das Ganze von vorn. Es ist nicht der ideale Instagram High Roller Lifestyle, aber genau diese Bereitschaft, „ein großes Pensum zu absolvieren“, entscheidet laut ihm am meisten darüber, wer langfristig von Poker leben kann. 

Poker für Introvertierte: Solver, KI und das Ende des Trash Talks

Jaffe gehört zu denen, die zwei völlig unterschiedliche Poker-Äras aus erster Hand erlebt haben. Als er anfing, dominierten Extrovertierte – Sammy Farha, die alte „Vegas School“, Trash Talk, lange Gespräche am Tisch, spielen gegen den Gegner mehr als das Verlassen auf Solver. Heute sieht es laut ihm genau umgekehrt aus: Top Regs sind meistens Introvertierte, die stundenlang am Computer sitzen können, Simulationen laufen lassen, Nächte auf GTO Wizards verbringen und jede Bet Size analysieren. „Die größte Veränderung ist die Technologie und KI – jetzt ist es viel einfacher, sehr schnell gut spielen zu lernen“, sagt er im Podcast. 

Gleichzeitig gesteht er, dass diese Umgebung nichts für ihn ist. Er hält sich nicht für ein mathematisches Genie, will nicht Milliarden von Berechnungen und Tabellen im Kopf haben – seine Hauptwaffe war schon immer die Anpassung an das Ökosystem und die Fähigkeit, Menschen am Tisch zu lesen. Deshalb spielt er auch immer weniger klassische No-Limit Turniere und überlässt sie der Solver-Generation, die Lust hat, „Hausaufgaben zu machen“. Für Freizeitspieler hat er jedoch eine klare Botschaft: Wenn ihr bereit seid, ein wenig zu lernen, war Poker noch nie zugänglicher – Tools, die einst nur Nosebleed Regs hatten, sind heute für jeden erhältlich. 

WSOP und die Zukunft des Pokers

Wenn das Gespräch auf die World Series of Poker kommt, wird Jaffes Tonfall überraschend sanft. Die WSOP ist laut ihm nicht perfekt – lange Schlangen, gelegentlich schwache Dealer oder chaotische Momente gehören einfach zu den großen Serien. Trotzdem spricht er sehr klar: „Es ist ein Monat und ein halber Sommer, etwas, das in der Welt seinesgleichen sucht. Es ist das Mekka des Pokers.“ Er vergleicht es mit einem Urlaub auf Hawaii – man kann am Strand sitzen und sich über den Sand beschweren, aber man sitzt immer noch an einem der schönsten Strände der Welt. Statt ständigem Meckern schlägt er vor, die WSOP als Pokerfestival anzusehen, bei dem man einfach froh ist, dabei zu sein.

Nach Jaffe ist das größte Hindernis für das Wachstum von Poker als Fernsehspektakel die Langsamkeit der Spieler. Langes Überlegen, mit J-5 offsuit tötet das Tempo der Show – er schlägt vermehrten Einsatz von Shot Clocks und Technologien vor, die die Leute zwingen, schneller zu spielen. Und er fügt ein bisschen Ironie hinzu: An einem TV-Tisch sollten die Spieler verpflichtet sein, mindestens „50 Wörter“ zu sagen, ansonsten sollten sie eine Strafe bekommen. Im Kern geht es jedoch um einen ernsthaften Punkt – wenn Poker mit anderen Formaten konkurrieren will, braucht es Charaktere, Humor und Energie am Tisch, nicht sieben stille Solver-Bots in Kapuzen. 

Zwischen Grind und Mikrofon: Was kommt als Nächstes?

Am Ende der Episode wird deutlich, dass Jaffe immer noch das Gleichgewicht zwischen mehreren Rollen sucht. Scharfe Debatten machten ihn berühmt, doch heute sehen ihn viele als einzigartige Persönlichkeit in der Pokerwelt. Sogar bei den Global Poker Awards gewann er die Auszeichnung als Twitter Personality. Er liebt das Kommentieren, sieht es jedoch als klassische Arbeit mit Chefs, Zeitplänen und Politik, in der er sich nicht ganz wohlfühlt. Poker ernährt ihn weiterhin, PLO-Grind nimmt den Großteil seiner Zeit ein und die Familie in New York hat natürlich Vorrang.

Gleichzeitig hält er sich jedoch die Türen offen – sei es zu großen Final Tables im Studio, oder zu langen Stunden des Grinds an virtuellen Tischen. Wie das nächste Kapitel seiner Karriere aussehen wird, behält er jedoch für sich. Wenn du die ganzen Geschichten hören möchtest, wie er fast aufgehört hätte, von verrückten Cash-Game-Trips und warum Poker ihm trotz allem immer noch Spaß macht, hör dir die komplette Episode dieses Gesprächs an:

Quellen: 888ride, WSOP, PokerNews, PokerFuse, Poker.org

 

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