Die Geschichte der WSOP: 1972 – Ein umstrittener Sieg von Amarillo Slim

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Binions Wagnis, das scheiterte
 

Benny Binion war mit den Turnieren 1971 unzufrieden. Er wollte hohe Einsätze, die eine größere Show bringen würden. Deshalb führte er einen Buy-in von 10.000$ für alle Events ein. Um mehr Spieler anzuziehen, wagte er das Risiko und beschloss, dass die Hälfte jedes Einsatzes (5.000$) aus seiner eigenen Tasche kommen würde. Er wollte Massen anziehen und erwartete 12 Spieler zum Main Event. Doch es kamen nur 8. Warum? Im Binion's Horseshoe lief zeitgleich zu WSOP ein High-Stakes Cash Game, bei dem Amateure, die nach Vegas kamen, gegen Profis Haus und Hof verloren. 

Die Spielerzahl im Main Event stieg zwar leicht im Vergleich zu 1971, aber gleichzeitig sank die Zahl der Turniere auf zwei. Neben dem Main Event gab es nur ein Side Event: 10.000$ No-Limit Five Card Stud. Obwohl dieses Format über Jahre die bekannteste aller Pokervarianten war, war seine Beliebtheit zu der Zeit schon sehr gering. 

Vielleicht war das einer der Gründe, warum sich nur zwei Spieler für das Turnier anmeldeten. Der zweite Grund war Bill Boyd, ein Spezialist in dieser Disziplin, der schwer einen Gegner fand. Boyd trat gegen einen unbekannten Amateur an und holte seinen zweiten WSOP-Titel und 20.000$. Insgesamt gewann Boyd die Five Card Stud Turniere in den Jahren 1971 bis 1974. Dann nahm Benny Binion dieses Event aus dem Programm, da es sonst wohl niemand anderes gewonnen hätte.


Main Event mit geheimer Abmachung
 

Die Teilnehmerliste des Main Events ähnelte der der Vorjahre. Der größte Favorit war der Titelverteidiger Johnny Moss. Neben ihm nahmen Doyle Brunson, Puggy Pearson, Amarillo Slim Preston, Jack „Treetop“ Straus, Crandell Addington, Jimmy Casella und Roger Van Ausdall Platz.

Die Ersten, die ausschieden, waren Casella und Van Ausdall. Johnny Moss arbeitete sich schnell an die Spitze und es schien, als würde er seinen dritten Titel in Folge holen. Dann aber kam eine Hand, die alles änderte. Moss hielt 2-2 und nach einem Flop von 9-7-2 ging er All-in. Doyle Brunson callte mit A-A. Turn 10. Laut mehreren Quellen begann Brunson, seine Sachen zu packen und sich vom Tisch wegzubegeben, doch genau in dem Moment kam auf dem River ein Ass. Moss blieb auf einem Shortstack sitzen und verlor bald auch die restlichen Chips. Es war klar, dass der Champion der WSOP erstmals nicht Johnny Moss heißen würde.

Als Nächste schieden Straus und Addington auf den Plätzen fünf und vier aus. Es blieben nur noch drei übrig. Doyle Brunson und Puggy Pearson hatten eine ähnliche Anzahl Chips, und alles deutete darauf hin, dass einer von ihnen den Titel holen würde. Amarillo Slim hatte einen kleinen Stack und sein weiteres Verbleiben am Tisch schien unwahrscheinlich. 

Hier beginnt das Drama, das bis heute Fragen aufwirft. Jack Binion brachte ein Fernsehteam, um das Ende des Turniers zu dokumentieren. Slim war ein Showman, den Kameras nie störten, aber sowohl Brunson als auch Pearson wurden nervös. Steuern, das Finanzamt, Publizität… all das machte ihnen Angst. Ihre Karriere und ihr Lebensunterhalt wären bedroht, wenn sie bei Cash Games erkannt würden. Das Spiel wurde unterbrochen, und das Trio verschwand in einem Hinterzimmer.

Nach einer Weile kommen sie mit einer Vereinbarung heraus, die bis heute als die umstrittenste in der Geschichte der WSOP gilt. Brunson und Pearson beschlossen, dass Slim den Titel bekommen würde, da er der Einzige war, der mit Fernsehkameras und der durch den Sieg zu erwartenden Popularität umgehen konnte. Im Gegenzug würden sie sich Anteile vom Gewinn von 80.000$ nach der Chipmenge im Moment der Vereinbarung sichern. Slim würde also die Trophäe und den Ruhm bekommen, sie den Großteil des Geldes.

Es heißt, Benny Binion war in dem Moment wütend, aber Brunson überzeugte ihn davon, dass Slim der Beste war, um Poker populär zu machen. Binion stimmte letztendlich zu, denn er sah selbst, dass wenn Brunson oder Pearson gewinnen würde, das Fernsehen einen langweiligen Champion bekäme. Mit Slim würde es eine Show. Doyle Brunson beendete „aus gesundheitlichen Gründen“ auf dem dritten Platz und nahm seinen Anteil vom Geld (laut verschiedenen Quellen 20.000$ – 35.000$).

Puggy Pearson blieb im Spiel, war aber nicht besonders begeistert über die Entwicklung der Ereignisse. Es gibt zwei Szenarien, und welches wahr ist, könnte nur Puggy selbst wissen. Die erste Version ist, dass er zunächst der Abmachung zustimmte, sich dann jedoch entschied, doch gewinnen zu wollen. Die zweite ist, dass Puggy im Sinne der Vereinbarung einen Gang zurückschaltete und Slim den Sieg ermöglichte. So oder so, das Heads-up war kurz. Pearson hatte anfangs einen 2:1 Vorteil in Chips, aber Slim drehte das Spiel in kurzer Zeit zu seinen Gunsten. In der entscheidenden Hand ging Pearson All-in mit 6-6 auf einem Flop von K-8-8. Slim callte mit K-J. Turn 2, River 8 und die WSOP hatte einen neuen Champion. Die Trophäe ging an Amarillo Slim.

Offiziell erhielt Slim 80.000$. Realistisch soll er aber um die 15.000$ – 20.000$ bekommen haben, während Brunson und Pearson den Rest teilten. Das Portal The Hendon Mob gibt sogar spezifische Beträge an, demzufolge Brunson und Pearson jeweils 32.500$ erhielten und Slim als Sieger 15.000$ einheimste.

Turnier

Entries

Gewinner

Gewinn

$10K Five Card Stud

2

Bill Boyd

20.000$

$10K No-Limit Hold’em Main Event

8

Amarillo Slim Preston

80.000$*


Was passierte danach?
 

Amarillo Slim wurde zur ersten echten Pokerberühmtheit. Er war mehrfach in der beliebten Tonight Show und anderen TV-Shows zu Gast. Er trat im Film California Split auf, war Co-Autor des Buches „Play Poker to Win“ (1973) und soll sogar Inspiration für Kenny Rogers und sein Lied „The Gambler“ gewesen sein. 

Slim erreichte das, was Binion sich von der Gründung der WSOP erhofft hatte. Er wurde ein Star, der dem Poker Publicity verschaffte und es auf unterhaltsame Weise einem breiten Publikum vorstellte. Ohne Slims Charisma wären die Turniere vielleicht eine kleine Attraktion für ein paar texanische Spieler geblieben und die WSOP im Schatten der Cash Games verharrt.

 

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Quellen: WSOP, Wikipedia, PokerListings, The Hendon Mob, GGPoker, Wikiwand