„Menschen machen einen Fehler, wenn sie Dinge nur tun, um irgendwo anders anzukommen“, sagt Lichtenberger zu Beginn des Gesprächs mit David Tuchman. Für ihn war Poker nie nur ein Mittel zur Freiheit oder zu Finanzen. Es ist ein Prozess, in dem er sich ständig mit seiner eigenen Wahrnehmung der Realität konfrontiert. Nicht mit den Karten, nicht mit den Zahlen, sondern mit sich selbst.
Nach dem Pokerboom gehörte er zur absoluten Spitze der Online-Szene. Unter dem Nicknamen LuckyChewy spielte er die größten Spiele und galt als eines der größten Talente seiner Generation. Dann kam jedoch eine Flaute. Nicht wegen fehlender Fähigkeiten, sondern wegen einer inneren Suche. Erfolgslose Geschäftsprojekte, Zweifel, ein Rückzug vom Poker und eine Rückkehr während der Pandemie – diesmal mit einer völlig anderen Einstellung.
Das Bedürfnis, sich innerlich zu ordnen
„Lange Zeit habe ich Solver als etwas empfunden, das die Kreativität tötet“, gesteht er. Erst mit der Zeit erkannte er, dass technische Perfektion und Intuition sich nicht ausschließen müssen. Ganz im Gegenteil. „Wenn du Struktur hast, hat die Intuition Raum, um zu fließen.“ Poker wurde für ihn eine Kombination aus Rationalität und Flow – einem Zustand, in dem Entscheidungen nicht aus Angst, sondern aus klarem Wahrnehmen der Situation getroffen werden.

Lichtenberger spricht offen darüber, dass Poker sich kulturell verändert hat. Aus einem Spiel für Extrovertierte wurde eine Welt für Introvertierte mit Solvern. Weniger Theater, mehr Stille, weniger Emotionen, mehr Präzision. Heute sind extrovertierte Spieler an Final Tables, die Zuschauer unterhalten und Gegner mit „Speech Play“ irritieren, eher selten. Dennoch hat Poker für ihn nie aufgehört, ein soziales Spiel zu sein – viele haben vielleicht nur vergessen, es sich ins Gedächtnis zu rufen.
Ehrlichkeit gegenüber sich selbst
Am Ende des Interviews taucht das Gespräch auch in philosophische Sphären ein: „Die Frage ist nicht, ob du richtig spielst. Die Frage ist, ob du klar siehst“, sagt Andrew. Und genau darin liegt sein Ansatz zum langfristigen Erfolg. Nicht darin, wie viel du gewinnst, sondern ob du ehrlich zu deinen eigenen Entscheidungen sein kannst. Ob du dich nicht von Theorie verleiten lässt, wenn die Realität etwas anderes sagt.
Vielleicht ist das auch der Grund, warum ihn Poker immer noch fasziniert. Nicht weil er nach einem weiteren Titel oder Meilenstein sucht, sondern weil das Spiel nie endet. Nicht auf dem Tisch, sondern im Kopf. Solange Poker diese Fähigkeit hat, Illusionen aufzudecken und die Wahrnehmung zu testen, weiß Lucky Chewy, dass er noch eine Weile dabei bleibt.
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